Konversionsflächen gibt es nicht nur an gesellschaftlichen Nicht(mehr)orten, sondern auch an kirchlichen. Nicht nur im Kontext von heruntergekommenen und aufgelassenenen Fabrikgebäuden, Bahnflächen oder Militärgeländen, sondern auch von weitgehend leerstehenden, weil kaum noch genutzten Kirchenräumen.
Auch hier kann eine eine ‚Konversion‘ – also: Umkehr(ung) – in doppeltem Sinn stattfinden: eine materielle Konversion der Architektur und eine spirituelle der eigenen Haltung. Pastoral betrachtet, geht es hier um Selbst- statt Fremdbekehrung. Wie im Evangelium: Es geht um Kenosis („Selbstentleerung“) mit der Verheißung eines neuen Pleroma („Leben in Fülle“). Neues Leben in alten Mauern. Oder: Auferstehung in Ruinen.
Bekannt wurde das Projekt St. Maria als…, über das Andréas Hofstetter-Straka, Dorothee Steiof, Lukas Moser, Michael Schüßler und ich selbst verschiedentlich geschrieben haben. Die hybride Kirchennutzung von St. Maria schlägt einen ‚dritten Weg‘ jenseits reiner Sakralisierung und Profanierung ein, der sich dem eigenen Stadtteil öffnet – und zwar nicht nur im Zeichen einer (gemeinde-)liturgisch/sakralen, sondern auch einer (kultur-)diakonisch/profanen Heiligkeit:
„Wenn Friseure in der Kirche Obdachlosen kostenlos die Haare schneiden, dann ist das genauso heilig wie die Messfeier am Sonntag“ (Michael Schüßler).
Zum Beispiel: Mainz-Drais
Es gibt gerade auch im evangelischen Raum weitere Beispiele (siehe das DFG-Forschungsprojekt TRANSARA), wo Kirche sich gerade in einem kreativ-umkehrbereiten Shrinkingprozess selbst neu erfindet. Katholisch.de berichtet von folgendem Beispiel:
„Im Mainzer Vorort Drais gab es bislang kein Café. Ausgerechnet die örtliche evangelische Gemeinde hat das geändert – und ihre Kirche zur ‚Cafédrale‘ umgebaut. „Wir öffnen die Kirche für den Stadtteil“, sagt Pfarrer Christoph Kiworr. Möglichst jeden Tag soll irgendetwas in dem zuletzt nur noch selten genutzten Gebäude geschehen. Sei es, dass Musiker hier Konzerte spielen, Selbstständige sich einen ‚Coworking Space‘-Arbeitsplatz mieten oder eben die Nachbarschaft zum Kaffeeklatsch zusammenkommt.“
Auch hier war der zunächst ungewünschte Ausgangspunkt ein allmähliches Kleinerwerden des Gemeinde:
„In Mainz-Drais [.] wollte die Kirchengemeinde […] das Gebäude nicht einfach verkaufen und abgeben. Weitermachen wie bisher hätten die Verantwortlichen allerdings auch nicht gewollt, berichtet Pfarrer Kiworr: „Eine abgeschlossene Kirche ist die schlechteste Option von allen.“ Die Idee hinter dem Umbau der Kirche zur ‚Cafédrale‘ ist einfach: Der Bau bleibt ein Sakralraum, hier finden im erneuerten Ambiente sogar weiter regelmäßige ‚Sofagottesdienste‘ statt, und auch die Orgel bleibt funktionsfähig. Aber daneben sollen viele andere Nutzer Leben in die Mauern bringen – und Geld in die Kasse.“
Der größte Gewinn einer solchen Praxis ist aber die damit verbundene Chance einer kirchlichen Selbstbekehrung im jesuanischen Geist des Evangeliums…
Christian Bauer