Die richtige Frage finden
Im April 2023 führte die Journalistin Christiane Florin im Deutschlandfunk ein Interview mit Paulo Suess, der seit 1966 als Missionar in Brasilien lebt . Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der „Theologie der Befreiung“. Auf die Frage, was eigentlich ein Missionar mache, antwortet Suess zunächst: „Er muss vor allem dazulernen (…), vom hohen Ross runtergehen“. Gegen Ende des Gesprächs wir deutlich was er darunter versteht. Christiane Florin will von dem alten Missionar wissen, was er in der Rückschau über seine Tätigkeit in Brasilien sagen könne und fragt: „Was haben Sie zum Besseren bewirkt?“. Suess entgegnet zunächst: „Ich glaube, das ist die falsche Frage.“ Stattdessen gehe es ihm um die Frage „Wer bist du jetzt geworden in diesem Prozess?(…) Ich denke, das Missionarische, das ist nicht der Erfolg, sondern das ist die Veränderung, die in den Personen selbst geschieht, die da kommen, ein hörendes Herz haben, die dann anders werden und aus diesem Anderssein dann vielleicht zukunftsweisend sind, was sie vorher nicht waren.“
Das Hubland verändert uns
Vielleicht ist das Wesentliche, das wir bisher in der Begegnung mit Menschen und ihren Orten auf dem Hubland gelernt haben: Wir sind bescheidener geworden. In unseren Erwartungen, aber auch in unserem Anspruch auf schnelle Sichtbarkeit oder „Erfolge“. Vom Raum zu lernen, braucht Zeit. Und es braucht die Bereitschaft, bisherige Konzepte loszulassen und noch nicht zu wissen, wie es geht. Als Kirche ohne eigene Räume unterwegs zu sein, verlangt von uns, das wir uns an die Gegebenheiten anpassen. Wir sind nicht Gastgeber*in, sondern Gast. Wir sind nicht Verkündende, sondern Lernende. Wir fragen nicht nach unserer Bedeutung als Kirche für den Stadtteil. Wir fragen nicht: Was fehlt, wenn die Kirche fehlt? Immer mehr fragen wir: Was dürfen wir entdecken, was wir nicht vorher schon wussten? Was lernen wir von den Menschen im Stadtteil darüber, was Kirche-Sein heute bedeuten könnte?
Von wem wir lernen dürfen
Da gab es die Begegnung mit den Architekt*innen des Architekturbüros Brückner & Brückner, die uns von der Idee für die Trinitatis-Kapelle erzählten, die einmal als Wegkapelle und Rückzugsort für die Besucher*innen der Landesgartenschau 2018 geplant war. Von ihnen durften wir lernen, erst einmal das Gebäude wahrzunehmen und sprechen zu lassen, ohne es gleich mit herkömmlichen pastoralen Konzepten und Formaten zu überfrachten. Wir lernten ein Zelt kennen, das mit seiner glänzenden Außenseite nicht anderes für sich beansprucht als den Himmel zu spiegeln. Wir begegneten einem Architekten, der den Raum, den er geplant hat, mit seinem Instrument mit Klängen füllt.
Wir lernten vom Team der neuen Stadtteilbibliothek, wie man einen Ort mit Büchern schafft, der zugleich so etwas ist wie das „Wohnzimmer“ des Hublands – ein Treffpunkt, an dem es sich gut sein lässt und der auch uns zum Mitmachen einlädt.
Wir lernen von Menschen im Genossenschaftsprojekt „Mehrgenerationenwohnen Würzburg“ (MGWW). Sie wollen ca. 40 Wohneinheiten in Genossenschaftsform als Gemeinschaft bauen. Sie suchen im neuen Stadtteil mehr als ein Dach über dem Kopf für sich und ihre Familien.
Auf dem Weg, in der Bibliothek, beim Einkaufen oder im Bistro begegnen uns immer mehr Menschen, die in uns etwas verändern. Auf dem „Konversionsgelände“ kann dadurch vielleicht langsam so etwas entstehen wie „Konversion“ von Kirche, im Sinne einer Bekehrung hin zu den Menschen und Orten, die längst „Gottes Zelt auf dem Hubland“ sind.