„Was soll ich mitbringen?“, fragt eine Teilnehmerin im Vorfeld des 1. Netzwerktreffens Konversionsflächen vom 19.-20. Februar 2025. „Deine Geschichten.“, so meine knappe Antwort, die ich absolut ernst gemeint hatte. Und ja, die Quintessenz der 24 Stunden im Kloster Oberzell bei Würzburg lautet: „Es war eine Zeit voll guter, bewegender Geschichten!“
Getroffen haben sich 17 Menschen aus 11 Konversionsflächen-Projekten zwischen Hannover und Konstanz zusammen mit Christian Kern und Maximiliane Eisenmann vom Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie der Universität Münster.
Den inhaltlichen Boden für das Treffen liefern die Teilnehmenden mit ihren Geschichten von ihren Orten. Beim Zuhören und Fixieren der Resonanzen entdecken wir 6 Gravitationspunkte, die wir in einem nächsten Schritt mit unseren Ideen von praktischer Theologie in Verbindung bringen.(Wie) geht Kirche ohne Räume? – Eine Frage, die uns enorm umtreibt. Wie funktioniert Kirche ohne Kirchturm in einem Sozialraum? Wunderbar, eben anders, aber nicht weniger gut. Ja, es ist eine Kunst und große Herausforderung ohne physischen Raum präsent zu sein. Oder anders: Auf Konversionsflächen lebt Kirche häufig ohne Raum, aber mit Ort! Das setzt neue Energie frei und führt häufig ins Raum-Sharing mit anderen Protagonist:innen auf Konversionsflächen. „Wer Räume hat, hat Privilegien. Wer keine Räume hat, muss kooperieren.“, so die Erkenntnis einer Teilnehmerin. Einmal um die Ecke gedacht, schließt sich fast schon organisch die Frage an, ob „Kirchen-Projekte“ auf Konversionsflächen einen erkennbaren Identitätskern haben müssen oder nicht. Hierzu wird kontrovers diskutiert und auch um ganz Grundsätzliches gerungen: „Was ist Kirche überhaupt und wer darf Kirche sein?“ Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn in diesem Themenkomplex stecken letztlich Fragen nach Macht und Deutungshoheiten: „Wer definiert, was Kirche ist?“ Unter der Oberfläche dieser Grundsatzdiskussion am Wegesrand kristallisiert sich ein zentraler Gravitationspunkt heraus: „Mach’s mit Haltung!“ Die Netzwerkler:innen leben auf den Konversionsflächen eine Präsenz in der Rolle der Gäste und nicht der Gastgebenden, als Lernende, die sich wieder und wieder selbst von den äußeren Umständen bekehren lassen: „Das verändert alles!“, laut eines Teilnehmers. Orientierung geben die Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen vor Ort.

Häufig geht damit auch eine Art sozialpolitischer Auftrag einher, denn nicht selten treffen Armut und Reichtum auf Konversionsflächen aufeinander: Da sind beispielsweise die schicken Neubaukomplexe und ihre Bewohner:innen auf der einen Seite des Sozialraums und die seit Jahren vor sich hin zerfallenden Bauten einer alten Firma auf der anderen Seite, die aktuell von asylsuchenden Menschen bewohnt werden. Die Aufgabe einer diakonischen und politischen Kirche könnte an solchen Orten lauten: „Einsatz für Gerechtigkeit in ungerechten Systemen.“ Und was sind die anderen Aufgaben und Aufträge der „Kirchen-Leute“ auf Konversionsflächen? Immer wieder ploppt die Frage auf: „Wie gehe ich mit der Unbestimmtheit des Projekts um?“ Und fast mit demselben Atemzug wird in die Runde gelegt: „Wie begegne ich den bestehenden Spannungen zwischen der offiziellen Territorialgemeinde und der Projektarbeit?“ Vorschnelle oder gar fertige Antworten lassen sich auf diese beiden Fragen kaum finden, billige Best-Practice-Rezepte gibt es nicht. Schließlich landen wir dann im Gespräch wieder bei der Frage nach der Haltung und fast schon poetisch formuliert eine Kleingruppe: „Lasst uns die Probleme lieben und Freiräume schaffen für Lustpunkte, für alle, die wollen, zur Zusammenarbeit, für den Sendungsauftrag!“ Oder um es prägnant mit einem Titel von Werner Kallen zu sagen: „Lasst uns Zuflucht ins Freie1 nehmen!“ Die vielen guten Geschichten der geteilten Zeit in Oberzell liefern den Beweis: Es lohnt sich! Im Freien kannst du göttliche Freiheit finden.
Mit einer Menge Optionen für nächste Schritte und dem Wunsch nach Wiederholung eines Treffens verabschiedeten sich die Netzwerker:innen voneinander. Ein Wiedersehen lässt auch gar nicht so lange auf sich warten und wir laden alle Interessierten am 28. April 2025 von 19:30 – 21:00 Uhr in einen digitalen Austausch-Raum ein. Bitte meldet euch hierfür gerne mit einer kurzen E-Mail bei Maximiliane Eisenmann ().
Schließlich sei an dieser Stelle dem Bonifatiuswerk gedankt, das das Netzwerktreffen finanziell unterstützt hat.
Maximiliane Eisenmann
1 Kallen, Werner: Zuflucht ins Freie: Gedichte. Würzburg, 2011.